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Operndiven rechnen mit anderem Geschlecht ab
Die Lust an der Parodie kennzeichnete einen ganz und gar ungewöhnlichen Opernabend, den das Publikum am Donnerstag im Stadtmuseum erleben durfte. Das Frankfurter Ensemble Konduettina gastierte mit seinem neuen Programm "Verdi, oder was?" in der Kreisstadt.
Große Melodien der Opern- und Musikgeschichte wurden von dem weiblichen Trio zerlegt, bis von dem hehren klassischen Kanon kaum mehr etwas übrig blieb: Die berühmten italienischen Opernkomponi-sten Verdi, Bellini und Rossini, aber auch Mozart mussten dran glauben. (...) Man musste kein Opernfreund sein, um diesen Abend im voll besetzten Stadtmuseum genießen zu können. Denn das komische Spektakel wartete mit brillianten Darstellerinnen auf, die nicht nur durch ihre operngeschulten Stimmen überzeugten, sondern auch eine gehörige Portion an kabarettistischem Talent aufwiesen.(...) Die "spritzigen Opernparodien auf sechs Beinen" so die Vorankündigung begeisterten das Publikum, das die drei Darstellerinnen mit großem Applaus und vielen Lachern belohnte. Und das, obwohl der bissige Humor der Vorstellung teilweise scharf werden konnte und auch mal unter die Gürtellinie zielte. (...) Mit sprühendem Gestus wurde noch zum Rundumschlag auf das Geschlechterverhältnis ausgeholt. Dies alles bei bester musikalischer Unterhaltung. Das Trio wilderte im Revier des für unantastbar geltenden bürgerlichen Opernkanons und meisterte den "Angriff" auf feindliches Terrain mit Witz und Bravour.
Singende Eizellen
Wer schon immer aus einfühlsam femininer Sicht wissen wollte, welchen Stellenwert die Gattung Oper in der Gesellschaft einnimmt, ist bei Konduettina goldrichtig.
" Oper ist die permanente Vertonung des Austauschs von Körperflüssigkeit" erfährt das Publikum von drei singenden und spielenden Damen, denen kein Thema zu heilig ist, um es in zweckentfremdeten Opernpartien persiflierend zu besingen. Die beiden Operndiven Kerstin Kuschik und Bettina Hackenspiel hatten sich für die deftige Lehrstunde unter dem Motto Verdi, oder was? mehrfach in Schale geworfen. An-fangs verkitscht bunt gekleidet wie eine Badezimmerdekoration der 70er Jahre, später wie Lieblinge des Musikantenstadels sich im Bühnenlicht wiegend, durchstreiften die beiden Gesangstalente Untiefen weiblicher, leicht unterleibslastiger Denkarten (...)
Martina Schmerr mimte als Pianistin das Opernorchester zuverlässig (...) und glänzte als Moderatorin: In tiefstem hessischen Akzent ging sie offenherzig mit ihrer Sorge um die stündlich abnehmende männliche Zeugungskraft um und klärte über die "devolutionäre Entwicklung" der Männerspezies vom Weichei zum "impotenten Prinzen" auf. Sie moderierte auch skurrile Szenen wie die Ruderfahrt zweier singender Eizellen in Offenbachscher Opernmanier. Ein unterhaltsamer Abend.
- Frankfurter Allgemeine Zeitung
Tratschweiber am Fenster
Der Herr aus dem Publikum lag schon ganz richtig. "Was ist unser eigentliches Thema?" "Sex" kam es wie aus der Pistole geschossen aus der ersten Reihe. Dabei meinte Martina Schmerr natürlich die Oper. Aber auch da gehe es ja schließlich "immer nur um Sex, den Austausch von Körperflüssigkeiten". Und wer die Damen von "Konduettina" mit ihrem Programm "Verdi oder was?" im Frankfurter Gallustheater erlebt hat, ist geneigt, ihnen zu glauben. Ob Mozart, Rossini, "Guiseppe Spermis" Duett aus "Don Carlos" oder Offenbachs "Barcarole", die beiden ausgebildeten Sängerinnen Bettina Hackenspiel und Kerstin Kuschik sowie Martina Schmerr am Klavier finden in ihren Parodien immer den frivolen Dreh (...).
Doch beschränkte sich "Verdi oder was?" auf solcherlei Humor, es ginge einem schnell auf die Nerven, trotz allerlei munterem Kostümzauber, Sangeskunst und Seitenhieben auf die feierlichen Gesten auf der großen Bühne. Dass "Konduettina" jenseits von drastischen Albernheiten das Publikum bei Laune halten kann, zeigt das Frankfurter Trio auch in anderen Genres.
Wenn Sie zu dritt als ABBA a cappella "Honig, Honig" intonieren, zwei Tratschweiber am Fenster den alten Sachsenhäuser Gassenhauer "Der Herr Rauscher aus der Klappergass’" zum besten geben oder stilecht im Chor bayrisches Liedgut, beweisen sie auch da durchaus komisches Talent.
Barcarole mit Badekappen und Flossen
... Die großen Melodien von Verdi, Belli, Rossini, Offenbach, Mozart parodiert zu sehen, ist nicht jedermanns Sache. Aber wie sie es machten, fegte alle Bedenken hinweg. Mit kräftigen, geschulten, hin und wieder schrillen Stimmen schmetterten sie bekannte Arien so gekonnt und witzig mit Wort, Gestik und Mimik drapiert, ins Publikum, dass ihnen nur Applaus entgegen schlug. Offenbachs "Barcarole" mit Badekappe auf dem Kopf und Gummischwimmflossen rudernd, oder "Guiseppe Spermis" Duett aus "Don Phallos", das war schon den Hinsehens und -hörens wert. Zu einem weiteren Höhepunkt gestaltete sich die Persiflage von ABBA, im entsprechenden hautengen gländzenden Kostüm, mit herrlich blödem Tedt: aus "Honey HOney" war "Honig Honig" geworden, a cappella von allen Dreien hinreißend gesungen. Auch die dezent verhohnepipelten bayerischen Laute und Texte nach Art des Musikantenstadls begeisterten, nicht minder der alte Sachsenhäuser Gassenhauer "Der Herr Rauscher aus der Klappergass".
Wenn Operndiven Feuer spucken
Zu Beginn in kitschig überladenem Rüschenrock, später als Musikantenstadlverschnitt, nahmen Konduettina den bürgerlichen Opernkanon aufs Korn. Schon bei den ersten Stücken zeigten sie sich skrupellos dabei, bekannte Opernthemen musikalisch durch den Fleischwolf zu drehen. (...) Dabei beschränkten sich Konduettina nicht auf das Terrain der Musik, sondern kamen beim Publikum auch mit ihren kabarettistischen Moderationen gut an. Mal sächselnd, mal hessisch nahmen sie vor allem das Gebiet der Geschlechterdiskussion ins Visier. (..) Das Publikum war sichtbar angetan vom scharfzüngigen Programm, dessen Konturen im harten Kontrast zum Ambiente der Lotzemühle deutlich zum Vorschein traten.
Die heilige Oper verulkt
Abgestürzt ist keiner. Nass gemacht haben sich alle, die da im Unterhaus aufs »Sprungbrettl« gehüpft sind. Aber mehr oder weniger stürmische Wogen des Beifalls haben die neue Kleinkunst-Generation sanft aufgefangen. Zum Auftakt der Reihe im Kultursommerangebot traten jetzt je dreißig Minuten an: ein Liedermacher, ein Kabarett, Sängerinnen und eine Clownin.
Weit übers Sprungbrettl-Stadium hinaus ist das muntere Trio »Konduettina« aus Frankfurt. Selbst in schrille papageienfarben gekleidet, bringt es neue Farben auf die Bühne: ausgebildete Sängerinnen, die sich nicht zu schade sind, die heilige Oper kräftig und bühnenwirksam zu verulken und die auch »Abba« schrecklich schön verunglimpfen. Da stimmt alles von den Chiffonkleidchen über die witzige Moderation in Hessisch bis hin zu richtigen Tönen unterm falschen Schnurrbart.
Konduettina im Mainzer "unterhaus?"
Die Ankündigung versprach "ein witziges und spritziges Programm für Opernfans und solche, die es bestimmt nie werden wollten". Doch nach den Darbietungen dieses Abends war jeder auf die eine oder andere Art zum Opernfan bekehrt.
Die drei Musik-Conditeusen von "Konduettina" servierten in der heimeligen Kaffeehausatmosphäre des kleinen "unterhauses" luftiges Feingebäck des erhabenen Gesanges, garniert mit Sahnehäubchen der Ironie und Schokotupfern des Klamauks...
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